30 Jahre danach – wie Menschen über das geeinte Deutschland denkenFreiherr-vom-Stein-Schüler*innen befragen Bürger nach ihrer AnsichtAm 9. November 1989 geschah etwas schier Unglaubliches: die Berliner Mauer öffnete sich. Monatelang waren die Bürger der DDR zuvor friedlich für Freiheit und Demokratie in den großen Städten auf die Straße gegangen, nicht ohne Erfolg!
Nach 28 Jahren der Abschottung ging es von nun an in großen Schritten in Richtung Einheit der beiden deutschen Staaten voran.
Für Erwachsene der Jahrgänge 1968 und älter ein unfassbares und unvergessliches Erlebnis, für heutige Schüler*innen ein Thema in den Fächern Geschichte und Politik.
Das runde Jubiläum nahmen die Klasse 9G der Freiherr-vom-Stein-Schule Dauborn gemeinsam mit ihren Lehrern Dietmar Langusch und Rolf Dettling zum Anlass, sich genauer zu informieren und eine Umfrage zu erarbeiten. Gibt es doch in letzter Zeit zunehmend Diskussionsbedarf über den Stand der Wiedervereinigung. Ist Deutschland wieder zu einem Volk geworden? Wie denken Politiker, Lehrer, Eltern und Mitschüler darüber?
In einer Online-Umfrage hatten die genannten Gruppen Gelegenheit, anhand von 19 Fragen ihre Ansicht zu äußern. Die Fragen bezogen sich auf verschiedene Aspekte der Politik, zu den wirtschaftlichen Verhältnissen, zu den allgemeinen Lebensstandards und den Mentalitätsunterschieden zwischen Ost- und Westdeutschen. Darüber hinaus wurde nach Zukunftsaussichten gefragt und nicht zuletzt eine zusammenfasende Bewertung zum Prozess der Wiedervereinigung ermittelt.
Nahezu 220 Personen beteiligten sich an der Umfrage und zeigten somit nicht nur unmittelbares Interesse an der Arbeit der Schüler*innen, sondern spiegelten auch ein interessantes Stimmungsbild der Bürger*innen unserer Region.
Ergebnisse:Wirtschaftliche Unterschiede zwischen Deutschland Ost und West
Etwa 70-80% der Umfrageteilnehmer erkennen mehr oder weniger deutliche Unterschiede in der wirtschaftlichen Situation allgemein und den privaten, wirtschaftlichen Verhältnissen der Bürger in den alten und neuen Bundesländern. Den Westdeutschen geht es nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit besser als den Menschen in Ostdeutschland. Ungeachtet dessen sehen 70% die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands positiv.
Auch in Bezug auf den allgemeinen Lebensstandard (z.B. allgemeine Lebensverhältnisse, Warenangebot, Wohnen und Straßenbau) sieht jeder Zweite die Bürger in den alten Bundesländern im Vorteil. Etwa 28% erkennen keinen Unterschied.
Ost- und Westdeutschland und die DemokratieDeutschland und das Demokratieverständnis: ist die Demokratie die beste Staatsform für unser Land? Eindeutig bejahen dies etwa 70% der Teilnehmer*innen, weitere 20% sehen das im Grunde auch so, allerdings mit Einschränkungen.
Unterscheiden sich die Menschen in Ost- und Westdeutschland in Bezug auf die Akzeptanz der Demokratie? In der Tat sehen mehr als die Hälfte (ca. 53%) einen Unterschied und billigen den Westdeutschen hier die größere Akzeptanz zu; Etwa 21% sehen hingegen keinen Unterschied.
Mentalitätsunterschiede zwischen ost- und westdeutschen Regionen?Gibt es einen Mentalitätsunterschied – also: gibt es den typischen „Ossi“ und den typischen „Wessi“?
Mehr oder weniger stark ausgeprägt sehen dies nahezu 70% der Teilnehmer*innen der Umfrage. Interessant in diesem Zusammenhang: Schüler*innen erkennen hier weniger stark einen Unterschied. Jeweils 27 bis 29% sehen deutliche, weniger starke oder keine Unterschiede! Ein Indiz dafür, dass Ressentiments allmählich schwinden?
Deutsche Einheit – Erfolg oder Misserfolg, Wohl oder Wehe?Hand aufs Herz: Sind wir -30 Jahre nach Öffnung der Grenzen- ein Volk geworden? Die Teilnehmergruppen antworten hier sehr unterschiedlich! Eine relative Mehrheit von 36% meint, dass der Prozess noch andauert. Für Schüler ist die Einheit mit 75% Stimmanteilen bereits Tatsache. Das lässt für die Zukunft hoffen!
Über die Gruppen hinweg mein ca. 58%, dass ein Zusammenwachsen zunehmend besser gelingt. 20% sind hingegen der Ansicht, dass der Graben wächst.
Gewinner und Verlierer der Einheit, gibt es die?
Hier werden Deutungsunterschiede sichtbar: bedeutet „Gewinner zu sein“, dass Freiheit gewonnen wurde, oder bedeutet es „Verlier“ zu sein, weil das bisherige System komplett aufgegeben werden musste? Entsprechend unterschiedlich fallen die Reaktionen aus.
Der überwiegende Teil (68%) der Teilnehmer befürwortet auf jeden Fall, dass das Grundgesetz in seiner ursprünglichen Form beibehalten, auch wenn 20% es gerne gesehen hätten, wenn geeignete Teil der Verfassung der DDR übernommen worden wären. Etwa 46% waren zudem der Ansicht, dass positive Aspekte des sozialstaatlichen Systems der DDR in den gemeinsamen Staat hätten berücksichtigt werden können.
Alles in allem wird der Prozess der deutschen Wiedervereinigung positiv gesehen. Knapp 65% sehen den Zusammenschluss als gelungen, oder sehr gelungenes Projekt!
Positive ZukunftsaussichtenDiese positive Sicht wirkt sich auch auf die Zukunftsaussichten für das geeinte Deutschland aus: 78% werfen einen positiven oder sehr positiven Blick nach vorn.
Deutschlands Zukunft innerhalb Europas bewerten 62% positiv bzw. sehr positiv.
Nahezu 39% möchten, dass Deutschland den Prozess der europäischen Einigung vorantreiben soll und weitere 32% sehen Deutschland dabei in einer Führungsrolle.
Alles in allem zeigen die Ergebnisse der Umfrage, dass das Werk der vergangenen 30 Jahre positiv betrachtet wird, ohne zu übersehen, dass es eine Reihe von Aufgaben gibt, die bewältigt werden müssen.